Fragen an...
Anke Strüver - Professorin für Humangeographie
Womit beschäftigt sich eine Professorin für Humangeographie eigentlich genau?
Als Professorin für Humangeographie mit Schwerpunkt sozialgeographische Stadtforschung beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Strukturen und Raumproduktionen im Alltagsleben, die (nicht) an soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit geknüpft sind. Denn während die notwendigen Maßnahmen für den urbanen Umbau in Zeiten von Sorge-, Energie-, Biodiversitäts- und Klimakrise mittlerweile bekannt sind, hakt es an/in der Umsetzung. Damit dafür aber nicht das Individuum verantwortlich gemacht werden kann, beschäftige ich mich mit der Transformation der strukturellen Bedingungen auf lokaler Ebene anhand von Verkörperungs- und Subjektivierungsprozessen entlang der Themen Gesundheit, Bewegung, Ernährung und Digitalisierung.
Was an Ihrer Arbeit finden Sie besonders gesellschaftlich relevant?
Für mich liegt die gesellschaftliche Relevanz in einer grundlegenden Skepsis an technologie- und/oder profit-getriebenen Lösungen für die großen wie kleinen Probleme unserer Zeit, da ohne einen gesellschaftlichen Wandel keine sozial gerechte ökologische Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit erreicht werden können – weder global noch lokal. Dies bedeutet für die Lehre das permanente Arbeiten mit lokalen Beispielen, und in Graz bzw. an der Uni Graz sehen wir so viele Probleme, aber auch Lösungsstrategien direkt vor Ort. Eine Professorin für sozialgeographische Stadtforschung geht daher auch oft einfach „nur“ beobachtend vor die Tür!
Mag. Dr. Andreas Exner
Was an Ihrer Arbeit finden Sie besonders gesellschaftlich relevant?
Die vielfachen und zunehmenden Krisen unserer Zeit verlangen dringlich nach tragfähigen Antworten. Eine sozial-ökologische Transformation ist ein komplexer Prozess. Viele machtvolle Widerstände behindern notwendige Veränderungen. Ein wesentlicher Bereich meiner Arbeit widmet sich daher dem Wandel wirtschaftlicher Strukturen und Prozesse hin zu einer Social Economy. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die soziale oder ökologische Ziele priorisieren, solidarisch wirtschaften und demokratisch oder partizipativ organisiert sind. Dafür gibt es viele Beispiele. Gerade in Österreich schenken bislang jedoch nur wenige der Social Economy die Aufmerksamkeit, die sie für gelingende Transformationen bräuchte. Diese Perspektive integriere ich mit Forschung und praxisbezogenen Aktivitäten zur Stadtentwicklung. Darüber hinaus widme ich mich den theoretischen Grundlagen von Transformation. Denn unter den Bedingungen des Neuen Klimaregimes, angesichts fortschreitender Zerstörungen und mit dem Ende vieler Hoffnungen auf eine reflexive Moderne und nachhaltige Entwicklung braucht es Perspektiven, die Orientierung bieten können.
Welcher Aspekt Ihrer Arbeit ist für Sie eine besondere Bereicherung?
Ich schätze die Zusammenarbeit mit Praxisakteur:innen aus verschiedenen Bereichen und diversen politischen Feldern. Transformationsprozesse, die sich trotz aller Schwierigkeiten mit vereinten Kräften entfalten, bereiten mir eine besondere Genugtuung. Die Verbindung unterschiedlicher sozialer und politischer Milieus erlebe ich als Quelle sozialer Innovationen und Beitrag gegen zunehmende gesellschaftliche Polarisierungen, der mir Hoffnung gibt. Zugleich ist mir eine theoretische Durchdringung praktisch relevanter Prozesse ein besonderes Anliegen. Praxis ohne theoretisches Verständnis gleicht einem Schiff ohne Kompass. Theorie ohne Praxis und empirische Verankerung dagegen bleibt Gedankenspielerei. Mich faszinieren Fragen der Ontologie, der Epistemologie und der Gesellschaftstheorie. Besondere Freude bereitet mir dabei das Überschreiten von disziplinären Grenzen und theoretischen Verengungen. Denn dann wird sichtbar, dass neue Verbindungen von Ideen und Praktiken jene Ausblicke schaffen können, die weiterführen.